Freitag, 27. Juli 2012

The Dark Knight Rises

Mit „The Dark Knight Rises beendet Christopher Nolan seine grandiose „Batman“-Trilogie. Herausgekommen ist ein wuchtiges Stück Kino mit einem großen epischen Atem, das aber deutlich hinter Nolans Meisterwerk „The Dark Knight“ zurückbleibt. Und das liegt auch an einigen ideologischen Ungereimtheiten, die den dunklen Ritter diesmal in die Nähe einer post-faschistischen Ideenwelt rücken.

Der Titel von Christopher Nolans Schlussstrich unter die Batman-Trilogie erspart uns anders als die Comic-Vorlage „Knightfall“ den unangenehmen Teil: Nolans Held ‚erhebt’ sich. Dass davor aber der Absturz steht und dass ein erneuter möglicherweise bevorsteht, verschweigt uns der Filmtitel. 


Die Historiker sprechen von einer umgekehrten Reihenfolge: ‚Rise and Fall’ meint den unvermeidlich erscheinenden Absturz einer Zivilisation nach einem glanzvollen Aufstieg. Mal abgesehen davon, dass traditionelle Begriffe der Kulturtheorie von der Unterhaltungsindustrie absorbiert werden, damit man Computerspiele oder Musikgruppen nach ihnen benennen kann, kann man sich schon seinen Teil denken, wenn „The Dark Knight Rises“ emphatisch den ersten Teil des zyklischen Aufs und Ab betont.
Der tiefe, schmerzhafte Fall ist eigentlich das, was Batman ausmacht: ein dunkler Ritter, dessen Schmerz nicht getilgt werden kann, ein Anti-Held, der Held sein möchte, auch wenn dies möglicherweise das Leben kostet, ein Pflichtmensch, der seinen rigorosen Vigilantismus dann doch nicht einem soziologischen Verständnis von Gotham City verdankt, sondern seiner ganz persönlichen Trauma-Bewältigung. Leider führt dies dazu, dass Christopher Nolans Film dann doch auf hohem Niveau scheitert.

Geschichte einer Depression

Nolan erzählt in „The Dark Knight Rises“ von Anfang an die Geschichte einer Depression. Batman (Christian Bale) ist acht Jahre nach seiner Flucht in den Untergrund immer noch Gotham Citys meistgehasster Mann. Der dunkle Ritter, der für die Morde von Two-Face den Kopf hingehalten hat, damit die zivile Ordnung ihre Leitfigur erhält, muss zuschauen, wie sich mit dem „Dent Act“ ein fragwürdiges Rechtssystem wie ein Spinnennetz über die Stadt gelegt hat und die Gefängnisse füllt. Guantanamo meets Gotham City. Oder: Es gibt nichts Wahres im Unwahren.
Auch Bruce Wayne hat sich zurückgezogen. Nicht mehr gebraucht zu werden, hat Batmans Alter Ego in die Isolation getrieben. Nachdem er die Inbetriebnahme eines Fusionsreaktors (den dann der Bösewicht in eine Megabombe umbaut) aus ethischen Gründen verhindert hat, droht ihm zudem der Verlust der Kontrolle über seinen Konzern. Auch physisch ist Wayne/“Batman“ kaum noch der Alte: ein humpelnder Invalide, der wenig Wert auf seine physische Rehabilitierung legt. Und psychisch scheint der dunkle Ritter wieder in der Vergangenheit angekommen zu sein: beim Tod seiner Eltern, für den er sich verantwortlich hält, beim Verlust seiner großen Liebe Rachel, deren letzten Brief ihm Butler und Mentor Alfred (Michael Caine) immer noch nicht gezeigt hat, aber bald zeigen wird.
Alles schmerzhafte Lebenslügen, Irrtümer, biografische Illusionen: Bruce Wayne - ein Depressiver, Batman – ein zwielichtiger Held, der sich besser an Wilhelm Busch gehalten hätte: „Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt.“

Etwas überfrachteter Plot

Man munkelt bereits über einen zweiten Howard Hughes, als Selina Kyle/"Catwoman“ (Anne Hathaway) durch den Diebstahl einer Perlenkette Batman erneut auf den Plan ruft. Doch Catwoman ist nur Teil eines perfiden Plans, den Waynes Gegner ausgeheckt haben, um die Kontrolle über Wayne Enterprises zu erhalten. Und so wird in das erste Drittel des Films ganz nebenbei ein Wirtschaftskrimi eingebaut, bei dem es um Optionsgeschäfte und Leerverkäufe geht. Und während der Zuschauer natürlich nur Bahnhof versteht, geht der von den Vorstandshaien angeheuerte Superschurke Bane längst seinen eigenen Plänen nach. 
Batmans neuer Gegenspieler (Tom Hardy: „Inception“, „Warrior“, „Tinker Tailor Soldier Spy“) ist ein monströses Muskelpaket mit einer an Hannibal Lecter und Darth Vader erinnernden Atemmaske, der  sich für den legitimen Nachfolger von Ra's al Ghuls „League of Shadows“ hält und  ganz in der Tradition dieser Geheimgesellschaft die völlige Auslösung Gotham Citys plant. Und dazu muss zunächst Wayne Enterprises zerstört werden. Und sein Besitzer.

Bereits in der Exposition mutet Nolan dem Zuschauer eine Menge Billets d’entrées zu, schließlich muss jede Menge neues und altes Personal eingeführt werden. Natürlich sind Michael Caine und auch Morgan Freeman als für technische Gimmicks zuständiger Lucius Fox mit von der Partie, ebenso der von Gary Oldman verkörperte „gute Cop“ James Gordon.
Der Mega-Schurke Bane erhält ähnlich wie der Joker in „The Dark Knight“ gleich zu Anfang seine eher an mittelmäßige Bond-Film erinnernde Eintrittskarte. Ebenso die zunächst moralisch indifferente Meisterdiebin Catwoman, die natürlich auch erst mal ihre Kampftechniken vorführen muss. Neu im Ensemble ist auch der junge Cop John Blake (Joseph Gordon-Levitt: „Inception“), der als moralisch integrer Partner nach Batmans Verschwinden nicht nur einige Handlungslöcher stopfen muss, sondern am Ende in einer überraschenden Volte eine ganz andere Bedeutung erhält. Und schließlich muss in dem komplexe Handlungsgerüst auch noch Marion Cotillard als Miranda Tate ihren Platz erhalten, ist sie doch eine der wenigen, die sich gegen die Intriganten innerhalb von Wayne Enterprises stellt.
Das ist schon ein gewaltiges Bündel an Handlungsfäden, die Christopher Nolan und sein Bruder Jonathan zusammenführen mussten. Der dritte Scriptwriter, David S. Goyer, schied früh aus und hätte vielleicht mehr Ordnung in das Ganze gebracht. Über allem liegt eine gewisse Unruhe. Wally Pfister hat zwar wieder einmal für grandiose Bilder gesorgt, die Montage wirkt diesmal hektischer, wobei sich das etwas relativiert, wenn man den Film zum zweiten Mal sieht. Problematisch ist Hans Zimmers Score, der gelegentlich etwas zu drängend hämmert, was allerdings auch an den Soundeffekten liegt (1). Am meisten hat mich überrascht, dass der letzte Teil der Trilogie trotz der höheren Budgets weniger eindrucksvolle Action zu bieten hat als sein Vorgänger. 
Zwar kriegt Batman mit dem "Bat" ein nettes Flugmobil spendiert und die Attacke auf ein Football-Stadion ist sicher ein echtes Highlight, aber Rest wirkt eher konventionell und hält keine Überraschungen bereit.

„Es gibt keine echte Verzweiflung ohne Hoffnung“

Nolan, und das ist die eigentliche Überraschung, knüpft weniger an den zweiten Teil der Trilogie an, sondern viel stärker an "Batman Begins". Das zeigen nicht nur eingestreute Elemente (die Perlenkette der Mutter) und Szenenzitate (die Szene, in der Jim Gordon im ersten Teil dem jungen Bruce nach der Ermordung seiner Eltern einen Mantel umlegt, wird eine Rolle spielen). Wie in „Batman Begins“ muss sich seine Hauptfigur erneut verorten. Batman muss alte Ängste wiederentdecken und überwinden, damit der Aufstieg erneut erfolgen kann.
Dass dem Helden zuvor nicht  nur moralisch, sondern auch buchstäblich das Rückgrat gebrochen wird, ist das Resultat der ersten physischen Begegnung von Batman und Bane, der dem Fledermausmann die Knochen zerschmettert und ihn in ein Verlies mit symbolischer Bauweise wirft: Am Boden eines riesigen Brunnenschachts starren die Eingekerkerten ins Licht, man kann zwar versuchen empor zu klettern, aber geschafft hat dies nur einer: Bane, der Sohn von Ra's al Ghul, so glaubt Batman jedenfalls.
„Es gibt keine echte Verzweifelung ohne Hoffnung“, kommentiert der Schurke die tückische Bauweise. Und um Batman auch moralisch zu foltern, ist ein vergittertes Fernsehgerät an der Wand angebracht, das Batman zeigt, mit welchen Mitteln Bane sich Gotham City unterwirft. Dass die Rettung aus dem Verlies dann tatsächlich Batmans erster Aufstieg ist, das verdankt er nicht nur seiner wieder hergestellten Physis und seinem Willen, sondern einem alten und immer noch erfolgreichen Evolutionsmechanismus – seiner Angst.

No Occupy in Gotham City

Zu den Desinformationen, denen man in Christopher Nolans Film ausweichen muss, gehören zwei fette McGuffins: der eine suggeriert, dass Nolans Film auf die aktuellen Krisensymptome der Finanzmärkte reagiert, der andere ist die Schlussfolgerung, der Film sei eine Diskreditierung der Occupy-Bewegung.

Mit beiden Dingen hat der Film nichts, zumindest aber wenig zu tun. Natürlich sind Waynes Gegner im Aufsichtsrat seines Unternehmens skrupellose Renditehaie, die für die wirtschaftliche Macht über Leichen gehen. Natürlich flüstert Catwoman Bruce Wayne am Anfang ins Ohr: „Ein Sturm zieht auf. Wenn er losbricht, werden sie sich alle fragen, wie sie je so maßlos leben konnten, während sie uns anderen so wenig lassen.“ Und natürlich kontert Bane nach einem Überfall auf die Börse scheinbar systemkritisch die Feststellung eines Brokers, hier gäbe es doch kein Geld zu stehlen, mit der lakonischen Gegenfrage: „Und was tut ihr dann hier?“ Wenn dies den Rahmen für Zeitkritik absteckt, der wird auch bei geringeren Anlässen „Wow!“ rufen. Oder er schaut sich besser „Margin Call“ an, um zu sehen, wie das große Zocken funktioniert.
In Nolans Film geht es auch diesmal nicht um Geld, und wenn, dann hat der Joker dafür im zweiten Teil die eindrucksvollere Metapher geliefert: er hat es einfach verbrannt. Catwoman ist keine Systemkritikerin, so reizvoll diese Vorstellung auch sein mag - sie will, möglichst weltweit, alle digitalen Daten löschen, damit nicht jeder X-Beliebige ihre wahre Identität googeln kann. Und auch die Schurken interessieren sich nicht für das Big Money. Es geht, wenn alle Karten auf dem Tisch liegen, um Chaos und Zerstörung und die Rache einer Tochter, deren Vater durch Batman ums Leben kam. Und Bane, der mit dem martialischen Spruch abtritt, er sei das „notwendige Böse“, ist schlussendlich auch nur ein ferngesteuerter Teil des Puzzles. Der Rest ist Illusion und Täuschung, so wie es auch Batman ist.

Adam Soboczynski hat in DIE ZEIT den ideologischen McGuffin, den uns Nolan vorsetzt, wörtlich genommen: „Zweifelhafter als bei Nolan wurde die amerikanische Occupy-Bewegung selten inspiziert: Ihr wollt die Welt verändern? Das Finanzkapital entmachten? Die Banker stürzen? Bitte schön, aber das wird ohne Pogrome, ohne Barbarei, ohne bestialische Gewalt nicht gehen. Seht, was ihr anrichten könntet!“ (2). 
Das kann man so sehen, wenn man es möchte. Man kann aber auch die Erzählung ernst nehmen und im Kino weiß der Zuschauer schon recht bald, dass alles, was der Schurke Bane unternimmt, nichts anderes sein soll, als ein Folterwerkzeug für den eingekerkerten Batman.
Man muss also nicht alles als Kommentar Nolans deuten, weder die Freilassung der Schwerstkriminellen aus dem Gefängnis Gotham Citys, die nicht so einfach mit der Revolution kurzgeschlossen werden kann, und auch nicht die Schauprozesse des immer noch ziemlich verrückten Scarecrow. Auch sie berichten nicht notwendigerweise von den staatsterroristischen Irrungen der Französischen Revolution, auch wenn es bei Soboczynski zu einer eleganten und nicht schlecht gewählten Pointe führt: „Wayne ist der edle Kaufmann, der die Welt rettet. Bane ist der Sozialist, der sie in den Abgrund stürzt.“
Das ist er, nota bene, eben nicht.

Morituri te salutant

In „The Dark Knight Rises“ geht es um einen depressiven reichen Mann, der immer noch die vermeintliche Schuld am Tode seiner Eltern seiner infantilen Angst vor Fledermäusen zuschreibt. Diese Angst muss zunächst überwunden werden: es ist nicht nur der Vater des jungen Bruce, der ihm in „Batman Begins“ hilft, sondern in einer zu lang geratenen Adoleszenz-Phase auch sein Mentor Ra’s al Ghul, der fast psychoanalytische Arbeit leistet, allerdings mit einer größenwahnsinnigen Vision im Gepäck.
Später werden andere Ersatzväter den Weg von Batman begleiten. Sie werkeln entweder sehr ambivalent am Batman-Mythos (man schaue sich noch einmal genau Alfred Pennyworths „Birma“-Episode im ersten Teil an) oder treten als moralisches Korrektiv (Lucius Fox) auf, wenn Batmans immer schon latent faschistoide Selbsteinschätzung in Überschätzung und unangemessene Stilisierung abdriftet.
Im Schlussteil muss Batman wie nach einem Reboot seine Initiation noch einmal durchlaufen, allerdings ohne die realistischen Weggefährten Pennyworth und Fox. Ausgerechnet sie werden in „The Dark Knight Rises“ auf Mittelmaß gestutzt. Das tut weder Bruce Wayne noch Batman gut, der seine Schuld nur begleichen kann, indem er die Angst als Vehikel der Reinkarnation entdeckt und gewaltige Übertragungsarbeit leistet. Rettet er Gotham City, so rettet er seine Eltern. In diesem psychologischen Gewaber geht aber streckenweise der intelligente Diskurs verloren, der „The Dark Knight“ noch ausgezeichnet hat.
Und das wiederum tut dem Schluss der Trilogie nicht gut.

Nolan findet in „The Dark Knight Rises“ durchaus kräftige, plakative Bilder, wie es eigentlich nur das große Kino schafft: emblematische Bilder, die ähnlich wie das Nervengift von Scarecrow in „Batman Begins“ eine Panik erzeugende Wirkung haben und blanke Ängste freisetzen. Zugegeben: man kann schon den einen oder anderen Kommentar Nolans vermuten. Zum Beispiel zu den Wutbürgern, die sich in Anarchisten verwandeln oder zumindest genüsslich zuschauen, wie die Schauprozesse gegen die Besitzelite von Gotham City von Scarecrow, dem neuen Robespierre von Gotham City, inszeniert werden. Aber wer genau hinschaut, wird sehen, dass es weniger die Bürger sind, die in Gotham City ausraset, sondern die durch Bane befreiten Kriminellen, die wie im ersten Teil die Stadt fluten und unterwerfen. In „The Dark Knight“ waren sie zur kollektiven Empathie fähig, in Nolans Schlussakkord erscheinen sie als Reflex bürgerliche Ängste. Angst vor dem dauerhaften Besitzverlust, Angst vor dem egalitären Terror der unberechenbaren Kommunarden. Das ist allerdings weniger, als es schon einmal war.

Wohin die Richtung geht, zeigt am Ende die Bemerkung Gordons, der feststellt, dass in Zeiten, in denen das Gesetz nicht mehr stark genug, um dem Übel Einhalt zu gebieten, eine radikale Lösung hermuss. Natürlich ist dies die Führerfigur, die der Gewalt eigene Gewalt entgegensetzt. Die marodierenden Banden in „The Dark Knight“ als einen konservativen Reflex Nolans auf die Occupy-Bewegung zu deuten, die möglicherweise Schlimmeres bewirkt als das, was sie bekämpft, bietet sich an, greift zu kurz. In Nolans Film geht es mehr um die gesellschaftliche Urangst, die eine moderne Gesellschaft möglicherweise eher befällt als eine archaische: die Angst, die Zivilisation selbst einzubüßen. Es gibt nämlich viel mehr zu verlieren als früher. Auch für die Besitzlosen.

Das düstere Bild, das Nolan dem entgegenhält, ist das des dunklen Ritters, des Vigilanten aus eigenem und dann auch aus kollektivem Recht, der als Übermensch seine Depression bezwingt, eine erneute Initiation durchlaufen muss und erst dadurch die moralische und physische Kraft erhält, die Gemeinschaft zu retten. Wenn man boshaft ist, dann könnte man Robespierres Idee vom "volonté générale" als Begründung des notwendigen Staatsterrors so umdeuten, dass hier nicht die Mehrheit der Tugendhaften im Besitz der Wahrheit ist, sondern der große einzelne Tugendhafte, der zwar nicht Nation oder Rasse verherrlicht, dafür aber eine Stadt. Und dazu gehört auch ein messianisches Opfer, das der Führerfigur Batman eine Katharsis schenkt, die ins Nichts führt. Mit Nietzsches Willen zur Macht hat das zwar nicht unmittelbar zu tun, aber ein Geschmäckle hat es schon.

 
Ich denke, dass das Faszinierende an „The Dark Knight“ nicht nur die Stringenz der Geschichte und ihre konsequente Ästhetisierung gewesen ist, sondern auch die Offenheit für einen kritischen Diskurs über Recht und Rechtlosigkeit, den totalen Überwachungsstaat und die vollständige Anarchie, über Hybris und Besinnung.
The „Dark Knight Rises“ bietet neben den erneut etwas verschwurbelten Dialogen diesmal noch mehr Pathos und am Ende steht doch ein wenig zu distanzlos die Glorifizierung des Superhelden, eingebettet in Bilder, die von Untergang und Reinigung der Leidenschaften und erneutem Untergang sprechen. Hier geht es nicht um „Kampf oder Tod“, sondern vielmehr von „Kampf und Tod“. Und daran ändern auch nichts die zivilcouragierten Bilder der Polizisten und Bürger, die am Ende aufmarschieren, um die Bösewichter aus Gotham City zu vertreiben. Der letale Coup bleibt (wieder einmal) dem Helden vorbehalten.
Wenn man in diesem Zusammenhang von einer post-faschistischen Ideenwelt reden will, dann klappt dies allerdings nur, wenn man die erforderlichen Ingredienzien exakt nachweist. Und dann findet man heraus, dass sie sich auf Bane und Batman verteilen. Bane ist der typische Faschist, der die 'Revolution von oben' vertritt, eine Revolution, die sich gegen den moralischen Verfall richtet, aber die Reinigung der Gesellschaft nur als Präludium vor deren physischer Vernichtung durchspielt. Batman konnotiert dies mit einem Hang zur Ästhetisierung: Uniform, Embleme, Verherrlichung von Jugend und Männlichkeit (Batmans physischer Niedergang ist ein Teil von Waynes Depression) und der Glaube an die regenerative Kraft der Gewalt sind Attribute, die man nicht nur in Beiträgen zur modernen Faschismustheorie findet (3), sondern unübersehbar auch in "The Dark Knight Rises". „In der faschistischen Ästhetik stirbt der Held“, schrieb Georg Seeßlen, „um zum ewigen Bild zu werden, zu jenem Märtyrer, der immer im Geiste mitmarschiert.“

Der Joker würde schallend lachen

Interessanterweise scheint Nolans Film eine Deutungsoffenheit zu besitzen, die ihn (scheinbar) empfänglich für die unterschiedlichsten Interpretationen macht. Und das bereits nur einige Wochen nach dem Kinostart. Jüngstes Beispiel, und ein abstruses dazu, war der der Vorwurf des US-Journalisten Rush Limbaugh, der Nolan unterstellte, sein Film sei ein Anschlag auf den konservativen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, der einen Großteil seines Vermögens als Gründungspartner von Bain Capital machte. Limbaughs Kritik ist wirklich schlicht, um nicht zu sagen: dämlich. Allein der Umstand, dass einige Motive des Films an Börsenkritik erinnern und sich Bain auf Bane reimt, reicht für Limbaugh aus, um den Intelligenzstatus der amerikanischen Währler auf den Punkt zu bringen: "...(when)  Obama and the Democrats keep talking about Bain, not Bain Capital, but Bain, Romney and Bain, that these people will think back to the ‘Batman’ movie" (4).
 
Nicht nur hier fehlt dem Ganzen dann doch die intellektuelle Schärfe des Jokers. In „The Dark Knight“ war ein Baustein des Erfolgs sicher die darstellerische Leistung von Heath Ledger, aber mehr noch das kritische Potential seiner Figur. Seine Performance als Joker und sein Tod können durchaus als ein Legacy System verstanden werden. Informatiker benutzen den Begriff, wenn sie eine veraltete Methode meinen oder ein System, das nicht mehr up to date ist, was aber dennoch aufgrund seiner historischen Bedeutung alles Nachfolgende durchdringt. In Nolans durchdringt weniger Jokers Bedeutung den Film, sondern sein Fehlen. Das muss auch gesagt werden: der zynische Hedonist des wertfreien Chaos hätte sicher den einen oder anderen bösen Kommentar über die verbissenen Pläneschmiede, aber auch über leeres Pathos und Wortgeklingel zum Besten gegeben, das die ‚Großen Männer’ bei ihren ‚Rise and Fall’-Geschichten begleitet und möglicherweise auch für ihren stilisierten Heldentod verantwortlich sind, der sich für meinen Geschmack doch zu sehr einer post-faschistischen Ideenwelt bedient (worauf auch Andrew O’Hehir hingewiesen hat, allerdings mit anderen Schlussfolgerungen, vgl. Pressespiegel).

Es ist meiner Meinung nach unsinnig, Nolan rechte Ideologie unterzuschieben. Aber zumindest ist Batmans Reise in den morbiden Untergang das Ergebnis einer gescheiterten Therapie. Ein Manisch- Depressiver, der auf seiner Wegstrecke zu viele Nihilisten kennengelernt hat, um geistig zu gesunden.
Vielleicht hat ja auch Nolan dem eigenen Plot und seiner Bildsprache misstraut, denn nach einem Schlussbild, das man trotz seiner Opferpathetik durchaus hätte stehen lassen können, klebt er an das Filmende ein Happy-End, das so fehl am Platze ist, dass es einen umhaut. Da können Nolan und Bale ruhig mit Nachdruck betonen, dass nun Schluss sei, Warner Bros. sieht dies wohl anders: Das Sequel droht. Nicht nur an dieser Stelle würde der Joker, dessen Nihilismus zumindest eine gewisse analytische Kraft besaß, wohl schallend lachen. Aber er ist ja nicht mehr da.


„Jetzt hat man statt des wirklichen Menschen den sogenannten Übermenschen etabliert; eigentlich gibt es aber bloß noch Untermenschen, und mitunter sind es gerade die, die man durchaus zu einem "Über" machen will. Ich habe von solchen Leuten gelesen und auch welche gesehn. Ein Glück, daß es, nach meiner Wahrnehmung, immer entschieden komische Figuren sind, sonst könnte man verzweifeln.“ 

(Der alte Stechlin in Theodor Fontanes Roman „Der Stechlin“).


Endnoten

  1. Soundeffekte und Filmmusik
  2. Adam Soboczynski: „Der Milliardär lebe hoch!“, in: DIE ZEIT, 28.7.2012. Achtung: Bezahlschranke! Zitat im Pressespiegel.
  3. Der umstrittene Begriff des Faschismus, Interview mit Roger Griffin, in: DISSJournal 13/2004 
  4. Comments bizarre says Nolan

 

Pressespiegel


„Darauf muss man sich erst einmal einlassen: Die moralische Verkommenheit ist nicht an der Börse und nicht in der Bank beheimatet, sondern ist ein Charakterzug der Aktivisten der Kapitalismuskritik. Zweifelhafter als bei Nolan wurde die amerikanische Occupy-Bewegung selten inspiziert: Ihr wollt die Welt verändern? Das Finanzkapital entmachten? Die Banker stürzen? Bitte schön, aber das wird ohne Pogrome, ohne Barbarei, ohne bestialische Gewalt nicht gehen. Seht, was ihr anrichten könntet! (...) Wayne, indem er das sozialrevolutionär Böse bekämpft, versucht nicht nur die Stadt, sondern damit auch seinen Reichtum zu retten. Batman stabilisiert ein System, von dem er als Wayne, als – freilich philanthropischer – Manager, unmittelbar profitiert. Wie Bane kämpft Batman (Achtung, diesmal ein Anfangsreim!) natürlich außerhalb des weltlichen Rechts. Der eine, Bane, kämpft gesetzlos für das Böse, der andere, Wayne, kämpft gesetzlos für das Gute. Um es noch weiter zuzuspitzen: Wayne ist der edle Kaufmann, der die Welt rettet. Bane ist der Sozialist, der sie in den Abgrund stürzt. 
Die zeitdiagnostische Botschaft Christopher Nolans ist markant und schlicht: Die Finanzjongleure sollen wieder ehrbare Kaufleute werden (wie Wayne) und die Revolutionäre sich beruhigen (sonst droht, siehe oben, ganz schwerer Krawall). Die Welt ist rettbar, solange der gute alte amerikanische Liberalismus überlebt.“
(Adam Soboczynski: „Der Milliardär lebe hoch!“, in: DIE ZEIT, 28.7.2012). 


 „Wayne (ist) ein Getriebener, der über einen persönlichen Verlust nicht hinwegkommt und sich berufen fühlt, seine Ziele mit äußerster Kompromisslosigkeit zu verfolgen. (...) Im Grunde erzählen alle Nolan-Filme vom Scheitern dieses Versuchs: Ab einem gewissen Punkt brechen diese Zwangscharaktere die moralischen und juristischen Regeln, die sie zu schützen behaupten, und immer hat das tragische Konsequenzen. In diesem Sinne entlarvt die Dark Knight-Trilogie ihren Helden als Opfer einer Anmaßung.“
(Frank Schnelle, in: epd-Film).

„...nach dem Plastik- und Pappmachébombast der Burton- und Schumacher-Filme legte Nolan alles daran, Batman auf den Boden der Tatsachen zu holen. „Authentizität“ lautet die Direktive, mit einem Gotham City, das seine Ähnlichkeit zum echten New York immer weniger verhehlte, mit psychologisch „realistischen“, das heißt widersprüchlichen und zweiflerischen Helden, und mit klaren Verweisen auf tagesaktuelles Geschehen, inklusive eines autoritären und korrupten Regimes und der ins Verderben gleitenden kapitalistischen Wirtschaftsweise. Doch dieser Wirklichkeitsbezug war von Anfang an verlogen. Man darf keinesfalls einen Glaubwürdigkeit heischenden Look mit einer um wahrhaftige Lebensnähe bemühten Inszenierung verwechseln. Ersteres hat Nolan in The Dark Knight für den Superheldenfilm perfektioniert, Letzteres hat er in keinem seiner Filme wirklich herzustellen vermocht.“
(Nico Klingler, in: Critic.de).

„Batmans spektakulärer Erfolg liegt daran, dass er als einziger unter lauter pubertären Superhelden erwachsen ist, und uns psychoanalytisch tief und existentiell wirklich etwas zu erzählen hat: Es ist die Geschichte des demokratischen Zeitalters und seiner Nachtseite - die auch von Nolan als Schizophrenie-Geschichte erzählt wird: Der Multimillionär Bruce Wayne und seine Abspaltung Batman wollen Gerechtigkeit. Wayne sponsort Waisenhäuser, Batman beseitigt die, die aus Kindern Waisen machen.“
Rüdiger Suchsland, in: Telepolis (heise.de).

„It’s loud and bombastic and exceptionally long — 164 minutes from opening to closing credits — and brutal in several senses of the word, taking sadistic pleasure in both its scenes of violence and its Camus-meets-Nietzsche existential nihilism. It has no villain with even half the charisma of Heath Ledger’s now-legendary Joker, since Tom Hardy’s monstrous, ‘roided-out Bane remains figuratively and literally a masked figure, behind his Hannibal Lecter-as-Darth Vader faceplate...It’s no exaggeration to say that the “Dark Knight” universe is fascistic (and I’m not name-calling or claiming that Nolan has Nazi sympathies). It’s simply a fact. Nolan’s screenplay (co-written with his brother, Jonathan Nolan, and based on a story developed with David S. Goyer) simply pushes the Batman legend to its logical extreme, as a vision of human history understood as a struggle between superior individual wills, a tale of symbolic heroism and sacrifice set against the hopeless corruption of society. Maybe it’s an oversimplification to say that that’s the purest form of the ideology that was bequeathed from Richard Wagner to Nietzsche to Adolf Hitler, but not by much. Whether you think Nolan is endorsing or condemning that idea, or straddling the fence with a smirk on his face, is very much up to you.But if “The Dark Knight Rises” is a fascist film, it’s a great fascist film, and arguably the biggest, darkest, most thrilling and disturbing and utterly balls-out spectacle ever created for the screen.“
(Andrew O’Hehir, in: salon.com, 18.7.2012).

 

USA / Großbritannien 2012 - Regie: Christopher Nolan - Darsteller: Christian Bale, Anne Hathaway, Tom Hardy, Marion Cotillard, Joseph Gordon-Levitt, Michael Caine, Gary Oldman, Morgan Freeman, Matthew Modine - FSK: ab 12 - Länge: 164 min.